Clean Chemistry:
Eine Welt ohne giftige Lösungsmittel
Eigentlich war es ein Zufallsexperiment. Doch mit dem, was Sascha Knauer entdeckt hat, könnten große Mengen giftiger Lösungsmittel verbannt werden – nicht nur aus der Pharmaindustrie. Mit seiner Firma Sulfotools aus Rüsselsheim stellt der Chemiker Peptide mit Wasser her. Dadurch lassen sich Kosten senken und CO2 einsparen.
Das Gründer-Duo im Porträt
50 Prozent ihrer Arbeitszeit stehen Christina Uth und Sascha Knauer im Labor. Das ist ihnen sehr wichtig – auch wenn mit dem Wachstum ihres Unternehmens immer mehr Verwaltungsaufgaben hinzukommen. Uth und Knauer brennen für ihr Fach. Beide studierten Chemie an der Technischen Universität Darmstadt (TUD). Bereits während der Promotion lernten sie sich kennen – und die Eigenschaften des jeweils anderen zu schätzen.
Er ist zurückhaltend und vergräbt sich gerne tief in die Forschung. Sie geht eher nach außen, kommuniziert, trommelt für Sulfotools. Denn mit ihrer Clean Peptide Technology haben die beiden eine Vision: bei der Peptidherstellung giftige Lösungsmittel gegen Wasser zu tauschen.

Er habe in diesem Zusammenhang einfach einmal „etwas extremere Bedingungen für eine Reaktion“ getestet, erinnert sich Sascha Knauer. Dabei entstand ein Nebenprodukt, das sich als wasserlöslich entpuppte. „Uns war schnell klar, dass wir daraus mehr machen können“, sagt Knauers Partnerin Christina Uth – auch wenn man die Unternehmensgründung vielleicht etwas naiv angegangen sei.
Begonnen hat alles mit einem Zufallsexperiment. Sascha Knauer forschte im Rahmen seiner Doktorarbeit an Schutzgruppen für die Peptidsynthese. Diese sind in der Chemie von großer Bedeutung, da große Industrien – allen voran die Pharma- und die Kosmetikbranche – nicht ohne Peptide auskommen. Die Schutzgruppen braucht es, weil bei der gezielten chemischen Herstellung von Peptiden deren Bestandteile vor ungewünschten Reaktionen abgeschirmt werden müssen.
»Die Basis für unsere Smoc-Technologie ist das Nebenprodukt aus einem Experiment unter brachialen Reaktionsbedingungen.«


Zweifel am Potenzial ihrer Entdeckung hatten Knauer und Uth nicht – die ersten Hindernisse kamen ihnen erst in den Weg, als es um Bürokratie und Regularien sowie um die Suche nach Investorengeldern ging. „Die Unterstützung und Förderung durch das Land Hessen waren hilfreich bei Weiterentwicklungen der Technologie, aber auch für Networking und Vermittlung von Industriekontakten“, betont Christina Uth.
Zunächst ging Sulfotools als Ausgründung der TU Darmstadt an den Start – dafür brauchte es Durchsetzungsvermögen, Überzeugungskraft und auch eine gewisse Risikofreude. Denn ein neues Feld der „grünen Chemie“ zu besetzen sei nicht leicht, räumt Doktorvater Prof. Dr. Harald Kolmar ein.
Innovation fördern
Sowohl bei der Unternehmensgründung als auch bei der Weiterentwicklung ihrer Clean Peptide Technology profitierte Sulfotools von der Unterstützung unterschiedlicher Förderprogramme und Forschungstransfers, auch des Landes Hessen.Trotzdem: Nach dem ersten erfolgreichen EXIST-Forschungstransfer Phase I gründeten Knauer und Uth 2016 zusammen mit Harald Kolmar eine GmbH. Die Forschenden positionierten sich in Wettbewerben und Accelerator-Programmen, 2018 folgte die Phase II des EXIST-Forschungstransfers.
Einnahmen generiert Sulfotools aus Pilotprojekten und Machbarkeitsstudien für Unternehmen aus den Bereichen Pharma, Kosmetik und Chemie. Außerdem stellen Uth und Knauer mit einem kleinen Team aus zwei Mitarbeitenden die Bausteine ihrer Smoc-Schutzgruppe inhouse her und verkaufen sie über einen Distributionspartner in die genannten Branchen.
Bis heute hat Sulfotools umfangreiche Patentanmeldungen für Spezialanwendungen getätigt und zahlreiche wissenschaftliche Auszeichnungen erhalten.
Knauer und Uth glauben fest an den Impact ihrer Technologie – auch, wenn sie, wie sie selbst sagen, erst einmal lernen mussten, Resilienz aufzubauen. „Womöglich waren wir mit unserer Clean Peptide Technology etwas zu früh dran“, schmunzelt Christina Uth. Pharmakonzerne etwa, deren Produkte bereits über eine Zulassung verfügen, würden an der Herstellung nichts ändern.
Eine 2020 verabschiedete Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit der EU könnte Sulfotools jedoch in die Karten spielen. Diese sieht vor, gefährliche Stoffe – also auch giftige Lösungsmittel in der Peptidsynthese – künftig schon in der Entwicklungsphase zu vermeiden. „Unsere Technologie hat das Potenzial, dazu beizutragen“, betont Sascha Knauer.
Das Potenzial sehen auch Investoren und Investorinnen: 2021 stieg die tschechische I&I Prague mit knapp 15 Prozent Anteilen, Anfang 2023 ein weiterer Business Angel mit knapp 3 Prozent in das Unternehmen ein – das erlaubt dem passionierten Forschendenteam, seine Vision von der „grünen Chemie“ weiter zu verfolgen. Mit wissenschaftlicher Expertise und Unternehmergeist.

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Peptide
Peptide sind aktive Biomoleküle, die aus einer Kette von bis zu 100 verlinkten Aminosäuren bestehen. In der Natur übernehmen Peptide verschiedene Aufgaben: als Botenstoffe in Pflanzen oder als Hormone im menschlichen Körper. Im Labor erzeugte Peptide sind wesentlicher Bestandteil zahlreicher Medikamente, zum Beispiel Insulin oder Ciclosporin, einem Wirkstoff zur Behandlung von Hautkrankheiten oder Tumoren. Außerdem kommen Peptide in Kosmetika zum Einsatz, wo sie die Hautzellen stärken sollen.
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Schutzgruppen
Bei der gezielten chemischen Herstellung von Peptiden braucht es sogenannte Schutzgruppen. Diese komplexen Verbindungen schirmen die zu verbindenden Aminosäuren während der Synthese vor ungewünschten Nebenreaktionen ab. In der herkömmlichen Peptidherstellung sind dafür giftige Lösungsmittel nötig, die entweder teuer und energieaufwändig recycelt oder mit einem hohen CO2-Ausstoß verbrannt werden müssen. Mit den Schutzgruppen von Sulfotools können organische Lösungsmittel in der Peptidproduktion durch Wasser ersetzt werden. Damit hat das neue Verfahren um Peptide zu produzieren einen enormen Impact auf die Umwelt.
Gebäude C14
65428 Rüsselsheim am Main
info@sulfotools.com
www.sulfotools.com
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